Sprechen wir über Endometriose!
Um das Bewusstsein für Endometriose zu stärken und den Weg zur Diagnose zu erleichtern, startet der Gesundheitsfonds Steiermark eine Bezirkstour. Die Auftaktveranstaltung fand am 26. Juni in Leibnitz statt – mit dem Dokumentarfilm „nicht die regel“ und einer Podiumsdiskussion. Thema dabei waren die Versorgungsangebote, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen in der Region und das neue Endometriose-Informationsangebot auf www.gesund-informiert.at/endometriose.
Starke Regelschmerzen, psychische Belastung und viele Arzttermine – aber keine Diagnose. Das beschreibt die Geschichte von vielen Betroffenen mit Endometriose. Es handelt sich dabei um eine der häufigsten Erkrankungen des Unterleibs bei Frauen. Laut Schätzungen leidet jede 10. Frau im fortpflanzungsfähigen Alter unter Endometriose. In Österreich gibt es jährlich etwa 4.000 Neuerkrankungen. Einen authentischen Einblick in die Erkrankung gibt der Dokumentarfilm „nicht die regel“, der am 26. Juni 2023 im Dieselkino Leibnitz präsentiert wurde – und den Auftakt zur Bezirkstour bildete. Diese ist ein Projekt des Gesundheitsfonds Steiermark im Rahmen des Schwerpunkts für Mädchen- und Frauengesundheit. Umgesetzt wird das Projekt in Kooperation mit dem Dachverband der Steirischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen. Bis Sommer 2024 ist geplant, den Dokumentarfilm in weiteren steirischen Bezirken zu präsentieren, jeweils in Kombination mit einer Podiumsdiskussion zur Endometriose-Versorgung in der Steiermark.
(Fotocredit: Photoworkers/Gesundheitsfonds)
Sensibilisieren und Gesundheitskompetenz stärken
Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß: „Endometriose ist eine chronische Erkrankung, die leider oft lange unentdeckt bleibt. Das muss sich ändern! Im Rahmen unseres Schwerpunkts für Mädchen- und Frauengesundheit wollen wir daher für Endometriose sensibilisieren und den Weg zur richtigen Therapie erleichtern. Auch das Stärken der Gesundheitskompetenz ist uns wichtig. Daher stellen wir auf www.gesund-informiert.at vertrauenswürdige Informationen und eine Übersicht an Anlaufstellen in den steirischen Regionen zur Verfügung.“
Niedergelassene Gynäkolog*innen als Erstanlaufstelle
Bernhard Pötsch, Gynäkologe in Leibnitz und Obmann der Fachgruppe Frauenheilkunde und Geburtshilfe in der Ärztekammer Steiermark, verwies in der Podiumsdiskussion auf die große Relevanz einer fachärztlichen Abklärung. „Endometriose kann nur mit exakter Anamnese über einen Ultraschall festgestellt werden. Die niedergelassenen Gynäkologinnen und Gynäkologen sind hier die erste Anlaufstelle und klären über die Behandlungsmöglichkeiten auf.“
Das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten ist breit, wie Pötsch erläuterte: „Gynäkologinnen und Gynäkologen beraten die Betroffenen ausführlich, damit fundierte Entscheidungen für die individuell richtige Therapie getroffen werden können“, verweist der Facharzt auf die Stärkung der Gesundheitskompetenz. „Die Therapiemöglichkeiten reichen von einer medikamentösen Behandlung mit dem Wirkstoff Dienogest, für die bei Endometriose-Betroffenen auch die Kosten von der Sozialversicherung übernommen werden, über begleitende Physiotherapien und Ernährungsberatungen bis hin zu Operationen, die dann an der Endometriose-Einheit des LKH Univ.-Klinikums Graz durchgeführt werden.“
Austausch unter Endometriose-Betroffenen
Eva Anderhuber-Tutsch, Leiterin der Selbsthilfegruppe für Frauen mit Endometriose in der Steiermark, setzt sich für die Vernetzung von Endometriose-Betroffenen ein. „Mir ist es ganz wichtig, offen mit der Erkrankung umzugehen und auch das Umfeld dafür zu sensibilisieren. Es macht nämlich einen großen Unterschied, ob ich als Betroffene offen sagen kann, dass ich Schmerzen habe und damit ernstgenommen werde oder ob das ‚nur‘ als Jammerei abgetan wird.“ Für Anderhuber-Tutsch ist der Austausch mit anderen Betroffen sehr hilfreich – „wir tauschen uns über empfehlenswerte Versorgungsangebote und viele andere Themen aus, die uns beschäftigen.“ Auch die Leiterin der Selbsthilfegruppe verweist auf die unterschiedlichen Aspekte, die im Umgang mit der chronischen Erkrankung eine Rolle spielen können. „Bei unserem nächsten Treffen sprechen wir über die Ernährung, wir haben eine Diätologin in der Gruppe“, nennt sie ein Beispiel. Als besonders wichtig erachtet Anderhuber-Tutsch die spezialisierten Versorgungseinrichtungen, wie das Endometriosezentrum am LKH-Univ. Klinikum Graz, das auch das EuroEndoCert trägt. Dabei handelt es sich um eine Zertifizierung von Behandlungsabläufen für Endometriose-Betroffene.
- Auf Instagram ist die Selbsthilfegruppe unter @endoheroes.stmk zu finden.
Endometriosezentrum als Spezialeinheit
Das Endometriosezentrum am LKH-Univ. Klinikum Graz bietet Abklärung, Operationen und medikamentöse Behandlungen und hilft bei unerfülltem Kinderwunsch weiter. Auch psychologische Begleitung ist Teil des Angebots. Marion Neumayer vom Endometriosezentrum erläutert: „Endometriose kann zu Veränderungen an den Fortpflanzungsorganen und Verwachsungen in der Bauchhöhle der Betroffenen führen. Die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft kann dadurch reduziert sein – es gibt aber Therapiemöglichkeiten.“ Die Fachärztin nennt ein Beispiel: „Nach der Endometriose-Diagnose kann eine Operation oder eine Hormontherapie, zum Beispiel mit der Anti-Baby-Pille eingesetzt werden, um die Schmerzen zu lindern. Wenn die Frau dann bei einem Kinderwunsch die Hormone absetzt, kehren die Beschwerden oft zurück. Wenn man zu genau diesem Zeitpunkt mit einer Operation die Endometrioseherde entfernt, kann die Voraussetzung für das Entstehen einer Schwangerschaft verbessert werden.“ Im Einzelfall bedarf es dabei immer einer ausführlichen medizinischen Beratung – erste Anlaufstelle sind dabei die niedergelassenen Gynäkolog*innen, die bei Bedarf ins Endometriosezentrum überweisen.
Psychosoziale Begleitung und Enttabuisierung
Als Anlaufstelle für alle Frauenthemen in Leibnitz unterstützt der verein-freiraum Mädchen und Frauen niederschwellig und unbürokratisch vor Ort. Die Frauenberatungsstelle Leibnitz versteht sich als psychosoziales Erstversorgungszentrum. Leiterin Sandra Jakomini beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit dem Thema Frauengesundheit. „Ich werde hellhörig, wenn Kundinnen starke Regelschmerzen oder einen unerfüllten Kinderwunsch haben. In solchen Fällen unterstützen wir mit Erstinformation und sind behilflich bei der Planung weiterer Schritte. Unseren Part sehen wir auch beim Thema „Endometriose“ in der psychosozialen Begleitung. So individuell wie sich die Krankheit ausprägt, so individuell sind hier auch die Lösungswege.“
Darüber hinaus ist Jakomini auch die Enttabuisierung des Themas ein wichtiges Anliegen. „Es muss endlich ohne Scham über frauenspezifische Themen in der Öffentlichkeit gesprochen werden können. Enttabuisierung nimmt Stress und Druck von der einzelnen Frau.“