Unterstützung für Kinder psychisch belasteter Eltern: Pat*innen-Angebot wird steiermarkweit ausgerollt

Seit 2017 begleiten ehrenamtliche Pat*innen Kinder aus psychisch belasteten Familien und fördern so das gesunde Aufwachsen. Nun wird das Angebot „Patenfamilien für Kinder psychisch belasteter Eltern“ sukzessive in den steirischen Regionen umgesetzt: Der Start erfolgt 2023 mit den Regionen Südoststeiermark, Fürstenfeld, Bruck-Mürzzuschlag und Leoben. Fünf psychosoziale Dienste haben sich dazu gemeinsam mit Styria vitalis zur „ARGE Patenfamilien“ zusammengeschlossen und begleiten künftig Pat*innen und die Herkunftsfamilien der Kinder langfristig.

Psychische Erkrankungen nehmen stetig zu. Schätzungen zufolge wachsen drei bis fünf Prozent aller Minderjährigen mit psychisch erkrankten Eltern(-teilen) auf. Das entspricht für die Steiermark etwa 4.050 bis 6.750 Kindern. Die Forschung zeigt, dass etwa 60 Prozent der Kinder psychisch erkrankter Eltern im Verlauf ihrer Kindheit und Jugend psychische Probleme und/oder Auffälligkeiten (z.B. Ängste, Konzentrationsschwierigkeiten, Schwierigkeiten im sozialen Miteinander) entwickeln.

„Psychische Erkrankungen belasten die Betroffenen genauso wie ihr Umfeld. Je früher Prävention und Hilfe ansetzen, desto wirksamer sind sie. Mit den Patenfamilien für Kinder psychisch belasteter Eltern helfen wir Kindern dabei, gesund aufzuwachsen. Auch die Eltern profitieren durch die Entlastung und die professionelle Begleitung, die nun sukzessive in der ganzen Steiermark angeboten wird“, freut sich Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß.

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v.l. Susanna Krainz, Landesrätin Juliane Bogner-Strauß, Alima Matko und Leo Payr (Credit: Land Steiermark/Binder)

Michael Koren, Geschäftsführer des Gesundheitsfonds Steiermark und Susanna Krainz, Psychiatriekoordinatorin (Gesundheitsfonds Steiermark), betonen die Integration des Angebots „Patenfamilien für Kinder psychisch belasteter Eltern“ in das Gesamtsystem der steirischen Gesundheitsversorgung: „Für die psychosoziale Versorgung gibt es in der Steiermark ein dichtes Netz an unterschiedlichen Angeboten. Koordiniert und vernetzt werden diese über die im Gesundheitsfonds Steiermark angesiedelte Plattform Psyche. Auch beim Patenfamilien-Projekt ist die enge Vernetzung mit den weiteren Angeboten für Gesundheitsförderung und -versorgung ein zentrales Element.“

Persönliche Bezugsperson außerhalb der Familie

Seit dem Jahr 2017 gibt es das Patenschaftsangebot in Graz. Koordinatorin und Psychologin Alima Matko von Styria vitalis erläutert die Hintergründe: „Eine zusätzliche Bezugsperson stärkt die Resilienz der Kinder wesentlich. Um Kindern diese Person zu bieten – und damit ihre Gesundheit zu fördern – wurde das Patenfamilienkonzept nach Beispielen in Deutschland initiiert.“ Es werden bis heute ehrenamtliche Pat*innen geschult, die Kinder dann langfristig begleiten. Die Kinder gewinnen so eine persönliche Bezugsperson außerhalb der Familie und damit eine langfristige Unterstützungsstruktur. Derzeit begleiten in Graz und Graz-Umgebung 46 Pat*innen (Einzelpersonen oder Paare) 37 Kinder.

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v.l. Susanna Krainz, Landesrätin Juliane Bogner-Strauß, Alima Matko und Leo Payr (Credit: Land Steiermark/Binder)

Steiermarkweite Ausrollung über „ARGE Patenfamilien“

Nun wird das Angebot steiermarkweit ausgerollt. Die Umsetzung in den einzelnen steirischen Regionen erfolgt über die fünf Träger der Psychosozialen Dienste (PSD) Steiermark, die sich – gemeinsam mit dem landesweiten Koordinator Styria vitalis – zur „ARGE Patenfamilien“ zusammengeschlossen haben (nähere Infos zur ARGE siehe Anhang). Mit dem von der Gesundheitsplattform Steiermark freigegebenen Budget von 2,2 Mio. Euro (für 2023 bis 2026) werden bei den einzelnen ARGE-Partner*innen personelle Ressourcen (je 25 bis 40 Wochenstunden), Workshops für Multiplikator*innen etc. finanziert, um eine laufende Begleitung der Patenfamilien und ehrenamtlich tätigen Personen zu gewährleisten.

Bündelung von Know-how

„Styria vitalis arbeitet seit 2017 mit Patenfamilien und konnte dadurch viele Erfahrungen sammeln. Diese bündeln wir nun mit dem Know-how der psychosozialen Dienste, die in den Regionen stark verankert sind und dort die sozialpsychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen wahrnehmen. Dadurch ergibt sich die ideale Kooperation für eine steiermarkweite Umsetzung“, ist Leo Payr, Obmann des Dachverbands der Psychosozialen Dienste Steiermark, überzeugt. Payr ist auch Geschäftsführer von Rettet das Kind (RdK) Steiermark – neben dem Hilfswerk Steiermark die zweite Organisation, die im Jahr 2023 die regionale Ausrollung startet.

Der Zeitplan für die Etablierung des Patenfamilien-Angebots in der ganzen Steiermark:

  • Seit 2017: Graz (Träger: Miteinander leben und Styria vitalis)
  • Seit 2022: Graz-Umgebung (Träger: Styria vitalis)
  • Ab 2023: Südoststeiermark und Fürstenfeld (Träger: Hilfswerk Steiermark)
  • Ab 2023: Bruck-Mürzzuschlag, Leoben (Träger: Rettet das Kind Steiermark – RdK)
  • Ab 2024: Voitsberg (Träger: Psychosoziales Zentrum Voitsberg) sowie Leibnitz/Deutschlandsberg (Träger: Gesellschaft zur Förderung seelischer Gesundheit – GFSG und/oder RdK)
  • Ab 2025: Hartberg (ohne Fürstenfeld) und Weiz, Träger: GFSG und/oder RdK
  • Ab 2026: Liezen, Murau/Murtal, Träger: Psychosoziales Netzwerk – PSN)

Wie läuft das Patenfamilien-Angebot konkret ab?

Kinder im Alter von 0 bis 12 Jahren mit Eltern, die an psychischen Erkrankungen wie Depressionen etc. leiden, werden von erwachsenen Pat*innen langfristig begleitet. Umgesetzt wird das Angebot in den Bezirken jeweils von einer Trägerorganisation, die auch laufende Ansprechpartner*in für die Familien und Pat*innen ist.

Vor allem in den Bezirken, in denen das Angebot neu ausgerollt wird, sind die psychosozialen Einrichtungen (Beratungsstellen etc.) wichtige Mulitiplikator*innen, um Eltern mit psychischen Erkrankungen über das neue Angebot zu informieren.

Von der Erstinformation zur langfristigen Patenschaft:

1. Informieren und Interesse zeigen
Sowohl Eltern mit psychischen Erkrankungen (Herkunftsfamilien) als auch Ehrenamtliche, die als Pat*innen tätig sein wollen, können sich an die Trägerorganisationen in den Bezirken wenden. Alle Kontaktdaten sind auf patenfamilien.at zu finden.

2. Möglichkeiten und Erwartungen abstimmen
Interessierte werden über das Angebot in persönlichen Erstgesprächen informiert. In Folge werden zeitliche und organisatorische Ressourcen geklärt (wann, wo und wie können Pat*innen unterstützten; welche Unterstützung benötigen Herkunftsfamilien). Den potenziellen Pat*innen wird dabei auch erläutert, welche Herausforderungen im Umgang mit psychischen Erkrankungen entstehen könnten. Im nächsten Schritt finden in den Herkunftsfamilien auch Hausbesuche statt, um das Umfeld und den konkreten Bedarf kennen zu lernen. Dabei werden auch die Kinder involviert. Matko betont: „Die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen ist, dass die betroffenen Eltern ihre Krankheit anerkennen und bereit sind, die Unterstützung anzunehmen. Beim Hausbesuch erklären wir auch den Kindern, wie eine Patenschaft abläuft.“

3. Schulung der Pat*innen
Die Schulung umfasst 30 Stunden und soll die Pat*innen auf ihre zukünftige Aufgabe vorbereiten. Außerdem ermöglicht sie den Koordinatorinnen, ein genaueres Kennenlernen der Personen. Daher ist immer eine der ARGE-Mitarbeiter*innen bei der Schulung anwesend.

4. „Matching“
Die Entscheidung, welche Patenfamilie für ein Kind vorgeschlagen wird, fällt immer im Team, um unterschiedliche Blickwinkel und Wahrnehmungen einzubeziehen. Dabei werden Kriterien wie räumliche Nähe, Alter, Geschlecht, Familienkonstellationen und auch spezielle Themen berücksichtigt. „Wenn ein Kind einen großen Bewegungsdrang hat und eine Patenfamilie sehr sportlich ist, könnte das gut passen. Oder wenn ein Kind einer alleinerziehenden Mutter vielleicht die männliche Bezugsperson fehlt, wäre ein männlicher Pate eine gute Option“, nennt Matko Beispiele.

5. Erstes Kennenlernen
Zuerst treffen sich nur die Erwachsenen (Pat*innen und Eltern), ein*e Mitarbeiter*innen der jeweiligen Trägerorganisation ist dabei anwesend. Beide „Parteien“ reflektieren das Gespräch und entscheiden frühestens am folgenden Tag, ob sie sich die Patenschaft vorstellen können. Erst danach erfolgt ein gemeinsames Treffen mit dem Kind und in Folge erste selbstständige Treffen.

6. Laufende individuelle Treffen
Die alltäglichen Treffen werden individuell zwischen den Pat*innen und den Kindern bzw. Familien vereinbart. Bei manchen ist das ein fixer Nachmittag pro Woche, bei anderen wird individuell ein Wochenend-Termin vereinbart etc.
Die langfristige Begleitung basiert dabei immer auf Freiwilligkeit. „Die Begleitung läuft, solange alle Beteiligten es möchten. Natürlich kann es sein, dass jemand wegzieht oder dass ein Kind älter wird und dann die Zeit lieber mit Freundinnen und Freunden verbringen möchte. Wir haben jetzt schon erste Kinder in Graz, die in der Pubertät sind, da hat sich die Häufigkeit und Art der Treffen verändert. Die Erfahrungen der aktiven Pat*innen werden in unseren Schulungen an künftige Patinnen und Paten weitergegeben“, erzählt Matko.

7. Laufende Begleitung
Das Team der jeweiligen Trägerorganisation im Bezirk ist Ansprechpartner für individuelle Fragen und unterstützt bei Krisen. Im Sinne der Qualitätssicherung finden jährlich Einzelgespräche mit den Paten- und Herkunftsfamilien statt. Zudem werden regelmäßig Austauschtreffen für Pat*innen und Herkunftsfamilien angeboten (gemeinsames Frühstück, Ausflüge etc.).

Psychische Gesundheit erhalten

Für Kinder in dieser Situation sind laut Psychologin Matko vor allem zwei Faktoren wichtig, um sie gesund zu erhalten: Die Aufklärung über die psychische Erkrankung der Eltern und eine zusätzliche Bezugsperson. „Wenn ein Kind nicht darüber informiert ist, dass die Eltern psychisch erkrankt sind, könnte es denken: Ich bin daran schuld, dass es Mama oder Papa schlecht geht. Aufklärung ist auch deshalb wichtig, weil Kinder sonst das Verhalten der Eltern nicht einordnen können. Die zusätzliche Begleitperson ist dabei ein Schutzfaktor außerhalb der Familie, der die Kinder wesentlich stärkt.“

Wichtig ist, dass dieses Wissen auch bei Pädagog*innen und Betreuer*innen in Kindergärten und Schulen ankommt. Daher bieten die ARGE-Partner neben der Begleitung der Patenschaften auch Sensibilisierungsworkshops für Menschen, die mit betroffenen Kindern arbeiten. Des Weiteren wird 2023 zum zweiten Mal der Lehrgang „Kinder psychisch erkrankter Eltern gut begleiten“ umgesetzt. Er wendet sich an das Personal aus der Jugendwohlfahrt, den Flexiblen Hilfen, der (Schul-)Sozialarbeit etc.

Informationsmöglichkeiten für Pat*innen und Eltern

Website: www.patenfamilien.at

Veranstaltungstermine:
Informationsveranstaltung für interessierte Ehrenamtliche: Sa, 18. Feb. 2023 von 14:30 bis 15:30 Uhr
Marburger Kai 51 /3. Stock, Styria vitalis

Kontakte in den Regionen:

  • Graz + Graz Umgebung sowie Steiermark-Koordination: Styria vitalis, Mag. Alima Matko,
    E-Mail: [email protected], Tel.: (0660) 937 27 79
  • Südoststeiermark und Fürstenfeld: Hilfswerk Steiermark, Alex Peters,
    E-Mail: [email protected], Tel.: (0664) 80785 4298
  • Bruck-Mürzzuschlag, Leoben: Rettet das Kind, Jacqueline Staber,
    E-Mail: [email protected], (0664) 88 910 427