Digitale Spiele als Suchtfaktor?

Von Fortnite über Minecraft bis hin zu FIFA: 85 Prozent der Jugendlichen spielen Onlinegames. Die Grenze zum Suchtverhalten ist dabei – wie beim digitalen Medienkonsum generell – fließend. Die neue Kampagne #gesundonline will dafür sensibilisieren, auch gibt es 95 Anlaufstellen in der ganzen Steiermark, die Unterstützung bieten. Wie konkret Eltern ihre Kinder bei einem gesunden Umgang mit digitalen Spielen helfen können, weiß Experte Markus Meschik von enter – Fachstelle für digitale Medien.

Digitale Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Wichtig ist aber der gesunde Umgang damit, für den im Rahmen der Kampagne #gesundonline sensibilisiert wird. 95 Anlaufstellen in allen steirischen Bezirken helfen bei Fragen zur gesunden Internetnutzung weiter. Mehr dazu auf www.gesund-informiert.at/gesundonline.

Gesundheitslandesrätinnen und -räte der Bundesländer bei der Landesgesundheitsreferentenkonferenz

Die Grenze zwischen Entspannung und Unterhaltung bei digitalen Spielen und Suchtverhalten ist fließend.
Credit: JESHOOTS.com/Pexels

#gesundonline: Digitale Spiele als Suchtfaktor?

85 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen zehn und 18 Jahren spielen lt. einer bitkom-Studie zumindest hin und wieder Video-, Computer- oder Onlinespiele . Das heißt noch lange nicht, dass dies ein Problem ist. „Was die Zahlen zum Suchtverhalten bei Videospielen angeht, geht man von ein bis vier Prozent der Gesamtbevölkerung aus“, weiß Markus Meschik von enter – Fachstelle für digitale Spiele in Graz. Da es nur für Videospielsucht offizielle Zahlen gibt, sind diese aber nicht sehr aussagekräftig. „Zahlen allein sind ohnehin kein verlässlicher Indikator für Suchtverhalten“, betont Meschik.

Grenze zum Suchtverhalten

„Es gibt eine riesige E-Sports-Community, in der stundenlang trainiert wird, ohne dass es suchthaft ist. Und auch während der Corona-Pandemie war es sehr positiv, dass man sich zumindest online mit Freunden treffen konnte.“ Die Grenze zum Suchtverhalten lässt sich eher an anderen Faktoren erkennen. „Gibt es auch noch andere Dinge, die mich interessieren, bei denen ich entspannen kann? Treffe ich mich noch mit Freunden, mache ich Sport, gehe ich mit dem Hund spazieren? Oder sind es nur mehr die Online-Games, die mich regulieren?“

Das Problem hierbei sei, dass es kaum etwas gibt, dass so stark regulierend wirkt wie Gaming. „Wenn ich mit dem Laufen beginne, ist das vor allem in der ersten Zeit alles andere als einfach und ich brauche viel Motivation. Ein Onlinegame zieht mich sofort rein und ich bin vollkommen von meinem Alltag abgelenkt – muss mich nicht um meine Probleme kümmern“, nennt Meschik ein Beispiel. Auch werden die Spiele von den Herstellern so gestaltet, dass möglichst viel Zeit damit verbracht wird. Es sei daher nicht das Ziel, einen gleichwertigen Ersatz für Videospiele zu finden, da es den in dieser Form nicht gibt. „Es geht darum, dass die Onlinegames nicht das Einzige sind, das mich reguliert. Ich brauche auch andere Dinge.“ Ob dies Sport, Lesen, Treffen mit Freunden oder andere Dinge sind, ist individuell verschieden.

Was können Eltern tun?

Meschik plädiert für einen klaren Rahmen, den Eltern ihren Kindern geben sollten. „Laissez-fair ist bei Onlinegames kein guter Zugang, wenn man seine Kinder vor den wirtschaftlichen Interessen der Firmen schützen möchte. Das Spielen an sich sei zwar meistens kostenlos, es gibt dann aber viele Möglichkeiten, für Zusatzfeatures Geld auszugeben, die Hersteller orientieren sich da am Glücksspiel. Es kommt in den Beratungen leider immer wieder vor, dass Kinder tausende Euros ausgegeben haben“, berichtet Meschik aus der Praxis. „Hier müssen Eltern Regeln definieren.“ Der Experte verweist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass Kinder unter 14 Jahren nicht geschäftsfähig sind.

Regeln für die ganze Familie

Wichtig sie auch zu beobachten, wie es dem Kind mit dem Spielen geht. „Ist es stundenlang nach dem Spielen noch aufgeregt? Interessiert es sich nicht mehr für andere Dinge?“ Das seien deutliche Alarmzeichen. Wichtig sei hier aber immer, dass Regeln für die ganze Familie gelten. „Es wird nicht funktionieren, den Kindern ab 20 Uhr Online-Games zu verbieten, wenn die Eltern selbst das Handy nicht weglegen können.“
Meschik zieht den Vergleich mit dem Essen: „Wenn Kinder Süßes bekommen, wenn sie traurig sind, wird das Bedürfnis dahinter nicht verstanden. Die Kinder lernen, Emotionen mit Essen zu regulieren. Eine ähnliche Gefahr besteht bei Videospielen.“
Auch finanziell können Gefahren entstehen, betont Meschik: „Zu den verlängerten Spielzeiten kommen oft auch große Geldmengen hinzu, die in Spielen ausgegeben werden. Dies liegt an der aggressiven Bewerbung von Kaufmöglichkeiten, die in vermeintlich kostenfreien Spielen wie Brawl Stars oder Fortnite zur Anwendung kommt.“

Steigern Online-Games die Gewaltbereitschaft?

„Wenn man zwei Stunden Fortnite spielt, ist man aufgekratzt und aggressiv, aber in der Regel nicht gewaltbereiter. Das Aufregende ist dabei der Wettkampf. Deshalb ist auch FIFA das Gewaltspiel Nummer 1, weil da die Wettkampfsituation im Mittelpunkt steht und durch diese steigt der Adrenalin-Spiegel im Körper. Abbauen kann man Adrenalin mit Sport oder über Tränen. Ideal wäre daher, nach dem Spielen Sport zu machen, was aber in der Praxis oft ein Wunschdenken ist“, sieht Meschik das Thema auch realistisch.

Ein beliebtes Spiel ist auch der Landwirtschaftssimulator. „Da sind die meisten Spieler danach aber gleich gut drauf wie vorher, weil es in diesem Spiel wenig aufregenden Aspekt gibt.“ Dennoch sollte auch hier die Spielzeit nicht ins Unendliche gehen.

Unterstützung holen!

Wenn man als Eltern oder Angehörige, aber auch als Betroffene*r selbst das Gefühl hat, digitale Spiele nehmen einen zu großen Raum im Alltag ein, kann man sich kostenlos Unterstützung holen.

Eltern rät der Experte, auch bei sich selbst anzusetzen und für die ganze Familie handyfreie Zeiten einzuhalten.

Hilfreich kann auch ein Handynutzungsvertrag sein – vor allem die gemeinsame Erarbeitung zwischen Eltern und Jugendlichen. „Es geht um die gemeinsame Entscheidung, wann das Handy Pause hat. Oder dass man Push-Nachrichten ausschaltet. Eine fertige Vorlage bringt da nichts, wichtig ist wirklich, dass man sich gemeinsam mit dem Thema beschäftigt.“

Online-Info & Kontakt in allen Bezirken

  • Hilfreiche Infos zum gesunden Umgang mit sozialen Medien und Internet sind auf www.gesund-informiert.at/gesundonline zu finden.
  • Dort gibt es auch eine Übersicht an Hilfsangeboten (Beratungsstellen, Psycholog*innen) mit Expertise zum Thema Mediennutzungsstörung in allen steirischen Bezirken.
  • Speziell zum Thema digitale Spiele berät die Fachstelle enter in Graz: www.fachstelle-enter.at