„PsyNot“: Neues psychiatrisches Krisentelefon in der Steiermark
Ein weiterer Meilenstein in der Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung: Ab 1. Dezember 2022 ist unter 0800 44 99 33 erstmals eine telefonische 24-Stunden-Notfall-Hotline erreichbar, die alle Steirer*innen bei psychischen Notfällen kontaktieren können. Das telemedizinische Angebot ist das erste Element des neuen psychiatrischen Krisendienstes, der künftig noch um einen persönlichen Krisendienst erweitert werden soll. Das Projekt wird von den Psychosozialen Diensten Steiermark umgesetzt und vom Gesundheitsfonds Steiermark finanziert. Für 2022 und 2023 liegt das Förderungsvolumen bei einer Million Euro.
Die psychische Gesundheit der Steirer*innen zu stärken, ist ein wichtiges steirisches Gesundheitsziel. Ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist im Laufe des Lebens von psychiatrischen Erkrankungen betroffen. Eine aktuelle Studie des Gallup-Instituts zeigt, dass jeder Vierte im letzten Jahr eine Verschlechterung seines mentalen Gesundheitszustands wahrgenommen hat.
„PsyNot“ entlastet die Krankenhäuser
„Mit dem neuen psychiatrischen Krisentelefon kommen wir dem stark steigenden Bedarf in der psychosozialen Versorgung nach und entlasten die Krankenhäuser. Die 24-Stunden-Notfall-Hotline ‚PsyNot‘ ist für alle Steirerinnen und Steirer niederschwellig und auch anonym zugänglich. Sie hilft dabei, gefährliche Situationen zu deeskalieren und ist der schnellste Weg zu den richtigen Versorgungsangeboten in der Region“, freut sich Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß über das neue telemedizinische Angebot im steirischen Gesundheitssystem.
„Die langdauernde Corona-Pandemie und die aktuellen Krisensituationen belasten viele Menschen in der Steiermark. Dazu kommen seit Monaten soziale Belastungen wie die Teuerungen und vielleicht auch persönliche Sorgen. Kinder und Jugendliche und damit die Familien sind besonders gefordert. Immer mehr Menschen haben daher das Gefühl, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. Gerade, wer psychisch ohnedies angeschlagen ist, braucht jetzt rasche und einfach erreichbare Hilfe, die das neue psychiatrische Krisentelefon nunmehr bietet“, unterstreicht Soziallandesrätin Doris Kampus.
Präsentation der 24-Stunden-Notfall-Hotline „PsyNot“: v.l. Michael Koren und Susanna Krainz (Gesundheitsfonds Steiermark), , Landesrätin Juliane Bogner-Strauß, Landesrätin Doris Kampus, Günter Klug (Psychosoziale Dienste Steiermark), Projektleiterin Ulrike Walch und Leo Payr (Psychosoziale Dienste Steiermark)
Credit: Land Steiermark/Robert Binder
Vernetzung der Versorgungsangebote
„Es braucht ein dichtes Netz an zielgerichteten Angeboten, um die vielen unterschiedlichen Versorgungsfälle im psychosozialen Bereich abzudecken. Der psychiatrische Krisendienst ist hier ein maßgeblicher Baustein, der sich in das Gesamtsystem aus mobilen Diensten, Beratungsstellen, Ambulatorien, stationären und weiteren Angeboten eingliedert“, erläutert Michael Koren, Geschäftsführer des Gesundheitsfonds Steiermark, die enge Vernetzung der Angebote, die über die im Gesundheitsfonds Steiermark angesiedelte Plattform Psyche koordiniert wird.
Zwei Elemente von „PsyNot“: telefonische Hotline und persönlicher Krisendienst
„Der psychiatrische Krisendienst besteht aus zwei zentralen Elementen, von denen die telefonische 24-Stunden-Notfall-Hotline namens ‚PsyNot‘ nun finalisiert wurde und ab Anfang Dezember unter 0800 44 99 33 für alle Steirerinnen und Steirer erreichbar ist. Das zweite Element ist ein persönlicher Krisendienst, der in weiterer Folge in Notfällen auch direkt zu den Betroffenen ins private Umfeld kommen soll“, beschreiben Günter Klug und Leo Payr von den Psychosozialen Diensten Steiermark – Dachverband sozialpsychiatrischer Vereine und Gesellschaften das Gesamtprojekt (Details siehe unten).
Deeskalation und „Gatekeeper“-Funktion
„Die 24-Stunden-Notfall-Hotline ‚PsyNot‘ ist die erste Anlaufstelle, um akute Gefahrensituationen zu deeskalieren, zu stabilisieren und das entsprechende Hilfsangebote zu vermitteln. Es kann sowohl von Betroffenen als auch von Angehörigen genutzt werden, etwa bei akuter Suizidgefahr, schwerer Depressionen, Vereinsamung, Gefahr von Gewaltausbrüchen etc.“, nennt Ulrike Walch, Projektleiterin für das Krisentelefon „PsyNot“ einige Beispiele und beschreibt die „Gatekeeper“-Funktion des Krisentelefons: „Wir agieren als autonome Telefon-Hotline, die nach der Deeskalation auch den schnellsten Weg zur passenden Versorgung vermittelt. Basis für unsere Arbeit ist eine umfangreiche Datenbank, über die wir nach klar strukturierten Pfaden das individuell richtige Versorgungsangebot abfragen“, verweist Walch auf die IT-Plattform im Hintergrund. Diese inkludiert u. a. ein Verzeichnis inkl. Öffnungszeiten/Verfügbarkeiten von:
- Psychosoziale Beratungsstellen und Ambulatorien
- Psychiatrische Krankenhausabteilungen
- Regionale Krankenhäuser, Kliniken und Rehabilitationseinrichtungen
- Blaulichtorganisationen
- Niedergelassene Fachärztinnen und -ärzte und Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner
- Gesundheitszentren (PVEs)
- Weniger spezialisierte telefonische Hotlines
- Onlineberatungen und -betreuungen
Wie konkret funktioniert „PsyNot“?
Das psychiatrische Krisentelefon ist steiermarkweit über die einheitliche Telefonnummer 0800 44 99 33 an 24 Stunden pro Tag und sieben Tagen pro Woche erreichbar. Die Notfall-Hotline wird zentral in Graz angesiedelt und betrieben. Das Team besteht derzeit aus rund 22 Personen, die alle entsprechend ausgebildet und geschult sind. Ein Anruf beim Krisentelefon wird zentral entgegengenommen, es folgt ein kurzes Abklärungsgespräch bzw. die Triage. Je nach Art des Anrufes wird dieser wie folgt behandelt:
- Auskunfts- bzw. Informationsgespräche/Anfragen
Alle Anrufe werden angenommen, Inhalte werden abgeklärt. Das Gespräch darf bei einem erwartbar hohen zeitlichen Aufwand für Gespräch und Information aber weitervermittelt oder, sofern möglich, verkürzt werden, um die Leitung für Krisengespräche freizuhalten. Die Anruferinnen und Anrufer werden mit entsprechenden Informationen versorgt bzw. an entsprechende Stellen (bspw. Telefonseelsorge) verwiesen. - Notfallgespräche/Akute Gefährdungssituation
Akute Gefährdungssituationen werden vom Krisentelefon behandelt (Notfallgespräch), da unter allen Umständen vermieden werden soll, dass Klientinnen und Klienten bei einem Weiterleitungsversuch auflegt („verloren geht“). Ziel ist die Deeskalation. - Krisengespräche
Für Krisengespräche wird bei Verfügbarkeit des Journaldiensts der psychosozialen Beratungsstellen der Anruf direkt weitergeleitet. Außerhalb der Journaldienstzeiten wird der Anruf vorerst vom zentralen Krisentelefon behandelt.
An wen richtet sich „PsyNot“?
Grundsätzlich steht das Krisentelefon allen Menschen offen, speziell aber folgenden Gruppen:
- Suizidgefährdete Menschen bzw. Menschen mit selbstgefährdenden Eigenschaften
- Personen aller Altersgruppen in einer akuten psychischen/psychosozialen bzw. psychiatrischen Krise
- Angehörige/Vertrauenspersonen von Personen mit psychischen, psychosozialen bzw. psychiatrischen Problemstellungen
- institutionelle bzw. professionelle Betreuerinnen und Betreuer (praktische Ärztinnen und Ärzte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sozialer Einrichtungen, Behörden etc.) bei akuten psychischen/psychosozialen bzw. psychiatrischen Krisenzuständen ihrer Klientinnen und Klienten
- Stationär entlassene Klientinnen und Klienten in akuten Problemsituationen nach der Entlassung
Weitere Schritte im Projekt
„PsyNot“ als Krisentelefon ist das erste Element des psychiatrischen Krisendienstes, das am 1. Dezember 2022 in Betrieb geht. Das zweite Element ist der persönliche Krisendienst, für den derzeit Vorarbeiten laufen. Das Projekt ist dabei in drei Phasen geteilt:
- Steiermarkweite telefonische 24-Stunden-Notfall-Hotline (Psychiatrisches Krisentelefon „PsyNot“): Ersteinschätzung, telefonische Beratung, Information, Vermittlung von Hilfsangeboten – startet am 1. Dezember 2022
- Implementierung des persönlichen Krisendienstes (Kommunikationsstruktur und ausfahrende Struktur) in zwei Pilotregionen (geplant Südoststeiermark und Graz): Ersteinschätzung, Erstintervention/Deeskalation, Information zu Hilfsangeboten, Beratung, aktive Vermittlung von Hilfe und Vernetzung der Hilfeleistungen, gegebenenfalls mit telefonischer, ärztlicher Supervision (durch Ambulatoriums-Ärztinnen und -Ärzte oder psychiatrische Fachambulanz)
- Steiermarkweite Implementierung des persönlichen Krisendienstes: Anpassung des Angebots an die Rahmenbedingungen und Erfordernisse der jeweiligen Region
Projektteam, Budget und Umsetzung
Das Projekt wurde von einer Runde Expert*innen entwickelt und wird vom Gesundheitsfonds Steiermark finanziert (für 2022 und 2023 mit einem Förderungsvolumen von einer Million Euro). Die Runde besteht aus Vertreterinnen und Vertretern des Gesundheitsfonds Steiermark, der Psychosozialen Dienste Steiermark-Dachverband der sozialpsychiatrischen Vereine und Gesellschaften, des LKH Graz II (Standort Süd), sowie einer Betroffenen-Organisation. Umgesetzt wird das Projekt durch die Psychosozialen Dienste Steiermark-Dachverband sozialpsychiatrischer Vereine und Gesellschaften der Steiermark.