Maßnahmen gegen den Ärzt*innenmangel

Gesetzliche Rahmenbedingungen und der zunehmende Wunsch nach Teilzeitbeschäftigung führen dazu, dass Stellen für Ärzt*innen in Krankenanstalten und § 2-Kassenstellen längere Zeit unbesetzt bleiben. Um den Ärzt*innenmangel zu bekämpfen, werden laufend Maßnahmen umgesetzt. Die Attraktivierung des Berufsbildes Arzt*Ärztin für Allgemeinmedizin zählt ebenso dazu wie zusätzliche Ausbildungsstellen in Mangelfächern sowie Stipendien- und Förderungsprogramme.

Das Land Steiermark und die Fondskrankenanstalten setzen darüber hinaus weitere Maßnahmen um. Im Juni 2023 wurde ein Paket vorgestellt, das u. a. ein Investitionsvolumen von rund 130 Millionen Euro pro Jahr vorsieht, um die Gehälter*innen von KAGes-Mitarbeiter*innen zu erhöhen. Dadurch liegen sie zumeist an der Spitze bzw. zumindest immer über dem österreichweiten Durchschnitt (nähere Infos dazu …). Auch in der 50. Sitzung der Gesundheitsplattform Steiermark am 16. Juni 2023 wurden weitere Maßnahmen beschlossen, um die steirische Gesundheitsversorgung zukunftsfit zu machen (nähere Infos dazu …).

Stipendien an der Med Uni Graz

An einigen Krankenhausabteilungen in der Steiermark bestehen Engpässe an ärztlichen Mitarbeitenden, die die Aufrechterhaltung eines Betriebes 24/7 erschweren bzw. verunmöglichen. Nicht selten mangelt es, um den Dienstbetrieb in der Nacht aufrechterhalten zu können, an Beidienstleistenden Ärzt*innen/Sekundarärzt*innen. Studierende im klinisch-praktischen Jahr (KPJ) können bereits unter Anleitung und Aufsicht für im Beidienst zu leistende Tätigkeiten herangezogen werden.

Zur Abfederung der bestehenden Mangelsituation wurden 2022 zusätzliche Maßnahmen für Studierende an der Medizinischen Universität Graz beschlossen. Diese sehen zwei Stipendienmodelle vor:

  • 1. Modell: Stipendium ab dem 2. Studienabschnitt für ein bis vier Jahre – monatlich 950 Euro brutto
  • 2. Modell: Stipendium ab Beginn KPJ für max. 12 Monate – monatlich 2.200 Euro brutto

Insgesamt sollen durch die Stipendien bis zu 300 Jungärzt*innen an das steirische Gesundheitswesen gebunden werden – für bis zu sechs Jahren. 10 Mio. Euro werden dafür investiert.

Mehr über die Stipendien erfahren …

Zusätzliche Ausbildungsstellen in Mangelfächern

Die kinder- und jugendfachärztliche Versorgung in der Steiermark stellt sowohl im niedergelassenen Bereich als auch in den Krankenanstalten zunehmend eine Herausforderung dar. Diese wird sich aufgrund der Altersstruktur der Fachärzt*innen für Kinder- und Jugendheilkunde in den nächsten Jahren noch verschärfen. Insbesondere in der Obersteiermark ist es schwierig, Kinder- und Jugendfachärzt*innen für den niedergelassenen Bereich zu finden. Um Engpässe zu vermeiden und die entsprechenden Zielsetzungen laut RSG-St 2025 erreichen zu können, wurde 2019 die Finanzierung von

  • sechs zusätzlichen Ausbildungsstellen

für Turnusärzt*innen zum Facharzt*zur Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde am LKH Hochsteiermark, Standort Leoben, beschlossen. Seit dem Jahr 2021 sind alle sechs Stellen stabil besetzt.

Steigender Bedarf an Fachärzt*innen besteht ebenfalls in den psychiatrischen Sonderfächern. Dies ist einerseits durch die im Rahmen des RSG-St 2025 geplante Regionalisierung des stationären Versorgungsangebots und andererseits durch die Folgen der Pandemie bedingt. Insbesondere für die psychiatrische Versorgung von Kindern- und Jugendlichen ist es häufig schwierig, Ärzt*innen zu finden. Im Jahr 2022 wurde daher die Finanzierung von

  • zehn zusätzlichen Ausbildungsstellen

für Fachärzt*innen in den psychiatrischen Sonderfächern beschlossen. Dieser Ausbildungsplan wird ab 2023 umgesetzt. Damit die zusätzlich investierten Mittel auch Wirkung zeigen, müssen sich alle Turnusärzt*innen, die auf den zusätzlichen Stellen ausgebildet werden, für eine definierte Zeit verpflichten, in der Steiermark tätig zu sein.

Kinderfachärzte Ausbildungsstellen - Sujetbild

Projekt „Attraktivierung Ärzt*innenausbildung“

Seit 2019 finanziert der Gesundheitsfonds Steiermark ein Maßnahmenbündel zur Attraktivierung des Berufes Arzt*Ärztin für Allgemeinmedizin. Dieses wird vom Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) der Medizinischen Universität Graz umgesetzt und laufend weiterentwickelt. Zu den Maßnahmen zählen:

  • Prägraduale Angebote
    Ziel ist es, Studierenden bereits in der frühen Phase der Ausbildung die Tätigkeit in einer Hausarztpraxis näher zu bringen, ihnen ein realistisches Bild davon zu zeichnen und sie für eine Tätigkeit in einer Kassenordination zu begeistern. Umgesetzt wird das. u. a. mit den Angeboten „Einblicke in die Allgemeinmedizin“, „Research Café“, „Einzel-Mentoring“, „Case Café“, Famulaturen in Ordinationen oder „Allgemeinmedizin to go“.
    Darüber hinaus haben die Studierenden im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Weiterbildung Allgemeinmedizin“ Gelegenheit, in Fachvorträgen mit spezifisch allgemeinmedizinischem Fokus weitere Einblicke in die Tätigkeit als Hausärzt*innen zu erhalten.
  • „LandarztZUKUNFT“
    Ein sehr geschätztes Angebot ist das Projekt „LandarztZUKUNFT“ im Rahmen des KPJ oder von Famulaturen, welches in den Regionen Liezen und Murtal angeboten wird. Es stehen dafür derzeit 18 Ordinationen zur Verfügung.
  • Postpromotionelle Angebote
    Dazu zählen die Angebote „Allgemeinmedizin to go“, „Vielfalt Allgemeinmedizin“ und „Gruppenmentoring“, die als Zyklus „Allgemeinmedizin, die erste Wahl“ angeboten werden.

Im Juni 2023 wurde eine weitere Förderung des Projekts bis vorerst Ende 2026 beschlossen. Schwerpunkte liegen dabei u. a. in folgenden Bereichen:

  • Breit gefächerte Fortbildungsreihen für Studierende, um sie bereits in einer frühen Phase der Ausbildung die Tätigkeit in einer Hausarztpraxis näher zu bringen, ihnen ein realistisches Bild davon zu zeichnen und sie für eine Tätigkeit in einer Kassenordination zu begeistern

  • Veranstaltungsreihe „Erfolgsmodell Kassenpraxis“ mit monatlichen Treffen zwischen Studierenden und Kassenärzt*innen sowie Einblicke in Vertragspartnermodelle einer Kassenpraxis im KPJ und im Turnus

  • Ausbau des Projekts „LandarztZUKUNFT“ und weitere Maßnahmen zur Stärkung von ländlichen Regionen:
    Die Regionen Ennstal und Oberes Murtal, in denen „LandarztZUKUNFT“ bereits jetzt umgesetzt wird, sollen um zusätzliche Regionen und Praktikumsplätze ergänzt werden. Das Ziel: von derzeit 20 auf bis zu 40 Praktikumsplätze pro Jahr zu erhöhen. Ergänzend dazu sollen für ein 4-wöchiges Praktikum im KPJ 80 Plätze pro Jahr zur Verfügung stehen. Für dieses erhalten die Studierenden auch eine Aufwandsentschädigung .

  • Förderung interdisziplinärer und multiprofessioneller Zusammenarbeit mit der Pflege und Ausweitung auf weitere therapeutische Berufsgruppen zur Entlastung der Allgemeinmediziner*innen, insbesondere in der Leitlinien-basierten Chroniker-Versorgung

  • Angebote zum Wecken von Interesse der Medizinabsolvent*innen für den Turnus zur Ausbildung zur*zum Ärztin*Arzt für Allgemeinmedizin und die Arbeit als Ärztin*Arzt in einer Kassenpraxis

  • Vernetzungsaktivitäten zwischen Ärzt*innen für Allgemeinmedizin in der niedergelassenen Praxis und Turnusärzt*innen

Ausbildung in Lehrpraxen und weitere Projekte

Mit der Ärzteausbildungsordnung 2015 wurde die verpflichtende Ausbildung in Lehrpraxen beschlossen. Diese wird anteilig durch Bund, Länder, Sozialversicherung und Lehrpraxis-Inhaber*innen finanziert. In der Steiermark stehen etwa 100 Lehrpraxen zur Verfügung, und es wurden seit Beginn der Umsetzung Mitte 2018 bis Ende 2022 mehr als 230 Ärzt*innen in einer Lehr-(Gruppen-)praxis ausgebildet.

Zusätzlich werden in der Steiermark bereits seit mehreren Jahren Fortbildungsformate abgehalten, um jungen Ärzt*innen die Tätigkeit als Arzt*Ärztin für Allgemeinmedizin näherzubringen. Diese umfassen postgraduale Mentoring-Programme „Allgemeinmedizin to go“ und „Fit für die Praxis“, die Weiterbildung „Vielfalt Allgemeinmedizin“ sowie Einzelmentorings und Gruppensupervisionen. Damit konnten im Jahr 2022 in Summe etwa 750 junge Ärzt*innen erreicht werden.

Attraktivierung Allgemeinmedizin (Sujetbild)

Maßnahmen gegen den Zahnärzt*innen-Mangel

Kassenstellen für Zahnärzt*innen können vor allem in ländlichen Regionen zunehmend schwieriger besetzt werden. Damit die Pensionierungswelle in den nächsten Jahren den Mangel nicht weiter verstärkt, werden bereits jetzt Maßnahmen gesetzt. Im Juni 2023 hat die Gesundheitsplattform Steiermark dazu ein umfassendes Maßnahmenbündel beschlossen:

  • Postpromotionelle Ausbildung zum Vertiefen spezieller Kenntnisse und Behandlungstechniken am LKH-Univ. Klinikum Graz und bei niedergelassenen Ärzt*innen
    Von September 2023 werden bis vorerst 2029 acht zusätzliche Zahnärztedienstposten an der Univ. Klinik für Zahnmedizin und Mundgesundheit gefördert. Absolvent*innen der Zahnmedizin können sich im Rahmen eines dreijährigen Dienstverhältnisses in jenen Bereichen spezialisieren, die sie für die Arbeit in einer Kassenordination entsprechend vorbereitet. Teil dieser postpromotionellen Ausbildung sollen auch Praktikumszeiten bei einem niedergelassenen Zahnarzt*einer niedergelassenen Zahnärztin in einer Kassenpraxis sein.

  • Anschubfinanzierung im Rahmen der Niederlassung
    Der hohe finanzielle Aufwand einer Praxisgründung, gerade in entlegenen und dünner besiedelten Regionen , schreckt viele Zahnärzt*innen ab, sich dort niederzulassen. Daher bietet das Land Steiermark für die Übernahme einer Kassenpraxis in ausgewählten Regionen Anschubfinanzierungen an. Die Bürgermeister*innen können ihrerseits die Zahnärzt*innen mit Sachmitteln fördern. Dabei sollen insbesondere die Gebiete Ennstal, Hochsteiermark und die nördliche Oststeiermark unterstützt werden.

  • Postpromotionelle praktischen Ausbildung in einer Lehrordination bei einem*einer niedergelassenen Ärzt*innen
    Die Ausbildung junger Zahnärzt*innen ist mit Beendigung des Zahnmedizinstudiums abgeschlossen. Durch die rein klinische Ausbildung kennen sie weder Abläufe noch Anforderungen einer Kassenordination. Dies erschwert die Übernahme einer Kassenpraxis zusätzlich. Daher soll im Rahmen eines Pilotoprojekts in zehn zahnärztlichen Lehrordinationen die Möglichkeit für eine grundsätzlich dreimonatigen postpromotionelle praktischen Ausbildung für Standorte außerhalb von Graz geschaffen werden.

  • Verbesserte Rahmenbedingungen und Erhöhung der Ausbildungsplätze
    Eine weitere Maßnahme für eine zukünftige Weiterentwicklung ist die Einbindung zahnärztlicher Kompetenz in neu zu errichtende Gesundheitszentren. Entsprechende Organisationsformen wie dies erfolgen könnte, werden gemeinsam mit der Landeszahnärztekammer für Steiermark geprüft. Ebenso wird das Bundesministerium für Wissenschaft ersucht, eine erhöhte Anzahl von Studienplätzen für Zahnmedizin an der Med Uni Graz zuzulassen.

Simulationsrechnungen zur Planung des Ärzt*innenbedarfs

Seitens des BMSGPK wurden 2018 erste Arbeiten zur Berechnung eines zukünftigen Bedarfs an Ärzt*innen durchgeführt. Diese Arbeiten fokussierten auf die Frage, ob der pensionsbedingte Abgang an Ärzt*innen durch die Studierenden und Turnusärzt*innen ausgeglichen werden kann. Dieser Ansatz unterschied nur zwischen Fachärzt*innen gesamt und Ärzt*innen für Allgemeinmedizin.

Der Gesundheitsfonds Steiermark hat 2022 begonnen, ein eigenes Simulationsmodell aufzubauen, um den künftigen Ärzt*innen-Bedarf in den jeweiligen Fachrichtungen besser abzuschätzen. In diesem werden die Ziele des RSG-St 2025 genauso berücksichtigt wie weitere Rahmenbedingungen, die die Zahl der Ärzt*innen beeinflussen.