Von wegen „Körndl-Kost” und „überg’sunde Sachen”

Krautfleckerl, Linsensauce, Sterz – Gerichte von anno dazumal sind perfekte Zutaten für einen ausgewogenen Speiseplan, der bei Pflegeheim-Bewohner*innen gut ankommt. Wie konkret der Weg zu einem „wert- und würdevollen Essen“ und einem Speiseplan zwischen Gesundheit und Genuss derzeit in allen steirischen Caritas-Pflegewohnhäusern umgesetzt wird und wie die Initiative GEMEINSAM G’SUND GENIESSEN des Gesundheitsfonds Steiermark dabei unterstützt, erläutern Diätologin Doris Hiller-Baumgartner, Caritas-Projektleiterin Viktoria Trois und Hausleiter Peter Loder-Taucher.

„Wir merken deutlich, dass es den Bewohnerinnen und Bewohnern besser geht, wenn wertvoll gekocht wird“, bringt es Viktoria Trois, Projektleiterin in der Abteilung Betreuung & Pflege der Caritas Steiermark auf den Punkt. „Wertvoll“ – was bedeutet das eigentlich? „Für uns ist Regionalität ein wichtiger Wert. Und wir wollen, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner wie zu Hause fühlen. Speisen und Düfte, die ihnen vertraut sind, fördern einfach das Wohlbefinden. Und außerdem ganz wichtig: Selbstbestimmung.“ Die Bewohner*innen entscheiden selbst, was sie essen möchten. „Wir wollen aber in all unseren Häusern den gleichen Qualitätsstandard bieten und deshalb haben wir 2023 damit begonnen, überall die steirischen Mindeststandards für Gemeinschaftsverpflegung umzusetzen“, erläutert Trois. Das Projekt wurde im Rahmen der Förderungsaktion von GEMEINSAM G’SUND GENIESSEN des Gesundheitsfonds Steiermark und in elf Häusern bereits weitestgehend abgeschlossen. Im Laufe des Jahres 2024 folgen vier weitere Häuser.

Unter anderem wurde die Verpflegung in den Wohnhäusern Wies, St. Lambrecht und Fernitz weiterentwickelt.
© Caritas Steiermark

Förderungscall für Betriebe/Einrichtungen

Die aktuelle Förderungsperiode von GEMEINSAM G’SUND GENIESSEN läuft noch bis 30. September 2024. Bis € 4.050,00 Förderung sind dabei möglich für Betriebe und Einrichtungen, die bereits Gemeinschaftsverpflegung anbieten und – seit heuer neu –  erstmals auch für all jene, die sich erst im Rahmen eines „Einstiegs-Workshops“ damit auseinander setzen wollen (Heime, Kindergärten, Schulen, Betriebskantinen etc.). Unterstützung gibt es u. a. bei folgenden Maßnahmen:

  • Workshops mit Diätolog*innen in den Betrieben: Dabei werden die grundsätzlichen Werte erarbeitet (z. B. Regionalität, vertrautes Essen) und die bestehenden Speisepläne analysiert.
  • Diätologin Doris Hiller-Baumgartner, die die Caritas-Pflegeheime bei der Umsetzung unterstützt, erläutert: „Wir schauen uns am Anfang an, welche Gerichte gerne gegessen werden, welche Speisen in der Region üblich waren bzw. sind (Sterz ist nicht gleich Sterz) und wie der Speiseplan zurzeit aufgebaut ist. Davon ausgehend werden weitere Gerichte angedacht wie z. B. ein Krautstrudel oder auch diverse Erdäpfel-Gemüseknödel. Gerne auch mit ein bisschen Speck. Entscheidend beim Fleisch ist immer die Menge. Wenn ich zum Beispiel eine Linsensauce mit Speck und Knödel mache, habe ich je nach Rezeptur um 50 bis 70 Prozent weniger Fleischanteil als bei einem Geselchten mit Kraut und Knödel.“
  • Gemeinsam werden dann neue Speisepläne erarbeitet bzw. die bestehenden adaptiert, die Gesundheit und Genuss verbinden und dabei die steirischen Mindeststandards für Gemeinschaftsverpflegung bestmöglich erfüllen d. h. pro Menülinie mind. 3 bis 4 x wöchentlich ein vegetarisches Gericht (1 x davon eine Süßspeise mit Obstanteil), max. 3 bis 4 x ein Gericht mit Fleisch (davon 2 x mit geringerem Fleischanteil das bedeutet < 80 g pro Portion), mind. 2 x pro Monat Fisch – heimischer sollte bevorzugt werden und bei jedem Mittagsmenü mind. eine Portion Gemüse zusätzlich zum allfällig angebotenen Salat.
  • Nähere Infos zur Förderung und zu den steirischen Mindeststandards …

Regionale Herkunft der Lebensmittel

Doch die steirischen Mindeststandards geben nicht nur Kriterien für einen Speiseplanaufbau vor, sondern auch verschiedenste Rahmenbedingungen. So ist regionaler Einkauf Thema – grundsätzlich ein ethisch vertretbares Lebensmittelmanagement ist Ziel. Diätologin Hiller-Baumgartner erzählt aus der Praxis: In einem Haus, indem früher Haltbarmilch verwendet wurde, weil sie nicht gekühlt werden muss, wird nun die Milch direkt vom Bauern aus der unmittelbaren Nachbarschaft verwendet. Es hat sich durch Zufall gezeigt, dass es doch eine Kühlmöglichkeit im Haus gibt.“ Dies ist nur ein kleines Beispiel. Es zeigt jedoch, dass immer ein Ansatz des Essens und Trinkens von anno dazumal möglich ist.

Gesundes Essen ist (zu) teuer? Stimmt nicht!

Peter Loder-Taucher, selbst gelernter Koch und Hausleiter in Fernitz, über die Zusammenarbeit mit Hiller-Baumgartner: „Uns ist ganz wichtig, dass wir den Bewohnerinnen und Bewohnern nicht ‚nur Körndl‘ und ‚übergesunde Sachen‘ servieren“, bringt er ein häufiges Vorurteil über „gesunde Ernährung“ auf den Punkt. „Das mag in der Theorie gesund sein, schmeckt den Leuten einfach nicht. Das hat mit Doris Hiller-Baumgartner aber super funktioniert. Wir haben viele Speisen integriert, die die Menschen von früher kennen und die ihnen auch schmecken.“ Verschiedene Kartoffel- und Sterzgerichte, Aufläufe, Strudeln – früher wurde deutlich weniger Fleisch gegessen als heute. Und auch das Kostenthema relativiert sich dann, bestätigt Loder-Taucher. „Das Teuerste ist vorwiegend das Fleisch. Wenn ich den Fleischanteil reduziere, kann ich viel bessere Qualität kaufen. Und gerade regionale Produkte und auch zertifizierte Bioprodukte kriegt man zu guten Konditionen, wenn man sich näher damit beschäftigt. Es geht auch gar nicht darum, Bio um jeden Preis reinzubringen. Ein regionaler Apfel aus konventioneller Landwirtschaft ist mir lieber als ein Bio-Apfel aus Italien.“

„Das Essen muss schmecken“

Es geht um einen „Mittelweg zwischen Gesundheit und Genuss“, betont Diätologin Hiller-Baumgartner. „Ich bin ein großer Freund der steirischen Mindeststandards, weil sie einen Rahmen vorgeben, den ich für jede Zielgruppe passend interpretieren kann. In einer Berufsschule passen ein knackiger Salat und Tomaten im Burger gut als Gemüse-Anteil, in einem Pflegeheim kommt das Kraut in den Krautfleckerln oder eine eingemachte Gemüsesuppe mit Bohnscharl vor dem Reisauflauf oder den Zwetschkenknödeln sicher besser an. Das Essen muss schmecken, Wegwerfen geht nämlich gar nicht“, erteilt Hiller-Baumgartner der Lebensmittelverschwendung eine Absage.

„Steirisch, Ehrlich, Xund“

Für Hausleiter Loder-Taucher war das Projekt ein „voller Erfolg. Das Feedback von den Bewohnerinnen und Bewohnern war toll und auch von den Angehörigen. Auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern essen nun fast alle im Haus zu Mittag, früher war das nicht einmal die Hälfte.“ Dennoch heißt es: „Man muss da immer dranbleiben, es ist kein Selbstläufer.“ Loder-Taucher bringt seine Motivation auf den Punkt: „Steirisch, Ehrlich, Xund“.

Gesundheit und Genuss verbinden

„Letzten Endes geht es immer ums Wollen und Können“, bringt es Diätologin Hiller-Baumgartner auf den Punkt. Das „Können“ lässt sich durch die Begleitung im Rahmen von „Gemeinsam g’sund genießen“ erlernen, das „Wollen“ bezieht sich auf die Motivation der Einrichtungsleitungen und der Mitarbeiter*innen. „Wenn beides vorhanden ist – das Wollen und das Können – lässt sich immer ein Mittelweg zwischen Gesundheit und Genuss finden, der in der Praxis bestmöglich funktioniert und allen große Freude macht.“