Suchtbericht Steiermark 2021 veröffentlicht

Die Suchthilfe- und Präventions-Angebote wurden in der Steiermark in den letzten Jahren sukzessive weiterentwickelt – den Status quo in der Versorgung und die Wirksamkeit der Maßnahmen zeigt der neue Suchtbericht 2021. Tabak- bzw. Nikotinkonsum sowie Spielsucht sind rückläufig, mit Sucht im Alter, Essstörungen und internetassoziierten Suchtverhalten gibt es allerdings neue Herausforderungen.

Im Vier-Jahres-Intervall wird in der Steiermark ein Suchtbericht erstellt – als Datenbasis für eine möglichst bedarfsgerechte und effiziente Versorgung. Der Suchtbericht 2021 wurde im November 2021 vom Gesundheitsfonds Steiermark als Suchtkoordinationsstelle für die Steiermark herausgegeben und beinhaltet Daten des Berichtszeitraumes 2017 bis 2020.

Suchtbericht 2021: Nikotinkonsum rückläufig

Er zeigt unter anderem, dass Alkoholkonsum und seine schädlichen Folgen nach wie vor zu den größten Herausforderungen für das Gesundheitswesen zählen – rund sieben Prozent der Männer und 2,7 Prozent der Frauen sind in der Steiermark alkoholabhängig. Der Tabak- und Nikotinkonsum ist rückläufig, knapp 16 Prozent der Steirer*innen rauchen täglich oder fast täglich herkömmliche Zigaretten. Die geschätzte Zahl der Personen mit Drogenproblemen (bezogen auf Opioide) ist in den letzten Jahren stabil geblieben. Die Prävalenz bei den problematischen Automatenspieler*innen ist deutlich zurückgegangen.

Versorgung wird laufend ausgebaut

„Wir setzen in der Steiermark vielschichtige Maßnahmen zur Prävention und Behandlung von Suchterkrankungen – der Suchtbericht bestätigt die Wirksamkeit. Immer weniger Menschen greifen zur Zigarette, auch beim Automatenspiel ist seit 2016 ein Rückgang von 20 Prozent zu verzeichnen. Immer stärker zum Thema werden hingegen Sucht im Alter, Internetsucht und Essstörungen. Auch die Absicherung der Versorgung außerhalb von Graz ist uns ein großes Anliegen“, sagt Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß. Sie verweist auf kürzlich erfolgte Erweiterungen, unter anderem der Ausbau der Suchtberatung in der West- und in der Südsteiermark, die Substitutionsversorgung in der Obersteiermark und das neue Tageszentrum für Essstörungen in Graz. Zur suchthafte Internetnutzung der Steirer*innen (z. B. Glücksspiel, Gaming, Social Networking, Shopping, Pornografie) befindet sich derzeit eine Studie in Ausarbeitung.

Fokus auf Prävention

Soziallandesrätin Doris Kampus: „Sucht kann Leben zerstören und massive gesundheitliche, aber auch soziale Folgen nach sich ziehen. So gesehen, ist der Rückgang an Suchterkrankungen, den der aktuellen Suchtbericht nachweist, eine erfreuliche Entwicklung. Wir müssen dennoch die therapeutischen Angebote für die Menschen in der Steiermark weiterentwickeln. Wenn wir zudem den Fokus weiter auf Prävention legen, dann lassen sich sicher viele Suchterkrankungen und ihre massiven sozialen Folgen wie zum Beispiel Job- und Wohnungsverlust verhindern.“

Bewusstsein für ein gesundes Leben

„Das Phänomen Sucht ist in weiten Teilen der Bevölkerung präsent. Die Österreichische Gesundheitskasse trägt diesem Umstand Rechnung und beginnt schon bei den Kleinsten in den Kindergärten mit Präventionsmaßnahmen. Unser Ziel muss sein, das Bewusstsein für ein gesundes Leben zu schärfen, damit schädliche Abhängigkeiten erst gar nicht entstehen. Die Gesundheitsförderung der ÖGK hat für nahezu alle Altersgruppen passende Angebote. Natürlich bieten wir auch Hilfe an, wenn es gilt, die Sucht zu überwinden – etwa das bewährte Nikotin-Entwöhnungsangebot ,Rauchfrei in 6 Wochen‘, mit dem sich bereits Tausende Menschen das Rauchen abgewöhnt haben“, betonen die Landesstellenausschuss-Vorsitzenden der ÖGK Steiermark, Josef Harb und Vinzenz Harrer.

Suchthilfe im Kontext der gesamten Versorgung etablieren

„Der Weg zur Suchthilfe sollte genauso selbstverständlich sein, wie eine medizinische Behandlung bei jeder anderen Erkrankung. Besonders wichtig sind dafür – gerade auch in Zeiten der Pandemie – ein niederschwelliger Zugang und sozial-integrative Angebote. Auch gilt es, die Suchthilfe noch stärker im Kontext der gesamten medizinischen und psychosozialen Versorgung zu etablieren“, so Juliane Cichy, Suchtkoordinatorin und Johannes Koinig, stellvertretender Geschäftsführer des Gesundheitsfonds Steiermark.

Suchtbericht 2021: Ergebnisse im Überblick

 Alkohol

Alkoholkonsum und seine schädlichen Folgen zählen zu den größten Herausforderungen für das Gesundheitswesen weltweit. Insbesondere bei einer legalen Droge wie Alkohol, die in weiten Teilen der Gesellschaft und kulturell als Genussmittel akzeptiert ist, steht im Vordergrund, einen verantwortungsvollen Umgang damit zu fördern.

  • Von Alkoholabhängigkeit sind in der Steiermark rund sieben Prozent der Männer und 2,7 Prozent der Frauen
  • Sowohl der problematische Konsum als auch der mittlere Konsum (über der Harmlosigkeitsgrenze) kommt bei Männern in höherem Ausmaß vor als bei Frauen: Er betrifft knapp 29 Prozent der Männer und 20,5 Prozent der Frauen.
  • Etwa 2.000 Menschen werden aufgrund einer Alkoholsucht in den ambulanten Suchthilfeeinrichtungen in der Steiermark betreut.
  • Der Aktionsplan Alkoholprävention, der seit 2016 vom Gesundheitsfonds Steiermark umgesetzt wird, hat einen Schwerpunkt nicht nur auf der Bewusstseinsbildung, sondern auch darauf, dass Alkohol beispielsweise in der Fest- und Feierkultur nicht die Norm, sondern eine von vielen Alternativen ist. Mehr dazu: mehr-vom-leben.jetzt

Tabak und Nikotin

Hier sind die Prävalenzzahlen in allen Altersgruppen – sowohl bei Männern als auch bei Frauen – rückläufig, nicht zuletzt aufgrund umfassender Maßnahmen, vor allem zum Nichtraucher*innenschutz.

  • Derzeit geben knapp 16 Prozent der Steirer*innen an, täglich oder fast täglich (herkömmliche) Zigaretten zu rauchen.
  • Die Palette an Tabak- und Nikotinprodukten hat sich in den letzten Jahren verbreitert, und diverse Tabak- und Nikotinprodukte sind im Konsumalltag angekommen. Allen voran sind hier Wasserpfeifen (Shishas) und E-Zigaretten zu nennen.

Illegalisierte Substanzen

Cannabis und Opioide sind die weitestverbreiteten illegalisierten Substanzen.

  • Die geschätzte Zahl der Personen mit Drogenproblemen (bezogen auf Opioide) ist in den letzten Jahren stabil geblieben.
  • Insgesamt wird geschätzt, dass sich über die Hälfte der Personen mit risikoreichem Opioidkonsum in einer Substitutionsbehandlung befinden.
  • Menschen in Substitutionsbehandlung werden immer älter, was vor allem auch auf eine lange Verweildauer in der Opioidsubstitutionstherapie zurückzuführen ist.
  • Cannabis ist jene illegalisierte Substanz, die in der Steiermark (und in Österreich) von allen illegalisierten Substanzen am häufigsten konsumiert wird.
  • Die Frage der Legalisierung für den nicht-medizinischen Gebrauch ist ein anhaltendes Thema. Das Drogenfachgremium Steiermark vertritt zur Frage der Regulierung von Cannabis eine Position, die darauf abzielt, durch Entkriminalisierung und sachliche und systematische Entscheidungsfindung einen guten Weg zu finden zwischen einem selbstverantwortlichen Konsum und der Unterstützung und Beratung für riskant konsumierende Menschen.
  • Besonderes Augenmerk wird auf den Jugendschutz gelegt, da die Auswirkungen von Cannabiskonsum auf Jugendliche nachweislich schädlich sein können.

Abhängigkeit von Beruhigungsmitteln, Schlafmitteln und Schmerzmitteln

Im zeitlichen Verlauf zeigt sich, dass die Anzahl der Verordnungen von Benzodiazepinen und Medikamenten mit ähnlichen Wirkstoffen zurückgeht.

  • Die Schätzung einer missbräuchlichen Verwendung von Medikamenten durch eine Bevölkerungsbefragung oder durch die Analyse von Medikamentenverschreibungen ist aber nur mit Einschränkungen möglich. Die Erarbeitung einer besseren Datenlage zu suchthaftem Medikamentenkonsum ist für die Weiterentwicklung spezifischer Angebote jedenfalls erstrebenswert.

Pathologisches Spielen

In der Steiermark wird der Problematik rund um die Glücksspielsucht bereits seit der Verabschiedung der „Neuen Steirischen Suchtpolitik“ 2011 ein besonderes Augenmerk geschenkt. Von der Fachstelle für Glücksspielsucht liegt eine Einschätzung vor, dass seit 2016 mit dem Steiermärkischen Glücksspielautomaten- und Spielapparategesetz die Prävalenz bei den problematischen Automatenspielerinnen und -spielern um etwa 20 Prozent zurückgegangen ist.

  • Durch die breite Thematisierung der Glücksspielsucht ist es in den letzten Jahren in der Steiermark gelungen, dass viele betroffene Menschen Behandlung und Therapie in Anspruch nehmen.
  • Knapp zehn Prozent aller Klient*innen, die 2020 in steirischen ambulanten Suchthilfeeinrichtungen behandelt und beraten wurden, hatten Glücksspielsucht als Hauptbetreuungsschwerpunkt.
  • Ein Augenmerk bei Behandlungsmaßnahmen wird aktuell auf die Entwicklung und den Ausbau von Online-Beratungsangeboten für pathologische Spielerinnen und Spieler gelenkt.

Internetassoziertes Suchtverhalten

„Internetassoziiertes Suchtverhalten“ ist eine Bezeichnung für ein modernes Phänomen, das gemeinhin als „Internetsucht“ bezeichnet wird und dem Umstand Rechnung trägt, dass suchthafte Internetnutzung sich in der Regel auf bestimmte Anwendungen wie z. B. Glücksspiel, Gaming, Social Networking, Shopping, Pornografie bezieht und weniger als Sucht nach dem Internet verstanden wird.

  • In Österreich wurden bislang kaum repräsentative Studien durchgeführt, die sich mit der Prävalenzabschätzung dieser Problematik unter Schüler*innen befasst.
  • Für die Steiermark existiert eine mittlerweile rund zehn Jahre alte repräsentative Erhebung in dieser Zielgruppe. Sie soll nun im Auftrag des Gesundheitsfonds Steiermark nicht nur unter Schüler*innen wiederholt, sondern auch unter Erwachsenen durchgeführt werden. Ziel ist es, auf Basis einer fundierten Datengrundlage eine Versorgungs- und Präventionsstrategie zu entwickeln.

Essstörungen

In der Steiermark werden Angebote für Menschen mit Essstörungen zum Teil im Rahmen der Suchtkoordination gefördert. Durch die ambulanten Einrichtungen der Suchthilfe erfolgen daher Beratungen zu dieser Problematik, auch wenn Essstörungen nicht als Suchterkrankung definiert sind.

  • Im Jahr 2020 haben 268 Personen mit Essstörungen die ambulanten Suchthilfeeinrichtungen in der Steiermark frequentiert.
  • Steirische Einrichtungen, die zum Thema Essstörungen arbeiten, sind im Steirischen Netzwerk Essprobleme vernetzt, welches vom Frauengesundheitszentrum Graz koordiniert

Sucht im Alter

Suchterkrankungen in höherem Lebensalter treten vorrangig als substanzgebundene Süchte auf (v. a. Alkohol, Medikamente und Tabak), immer wieder ist aber auch Glücksspiel ein Thema in dieser Altersgruppe. Auch illegalisierte Substanzen dürften künftig vermehrt von älteren Menschen konsumiert werden. Dafür sprechen die demografische Veränderung, eine gesteigerte Lebenserwartung, veränderte Lebensentwürfe und eine grundsätzlich tolerantere Haltung gegenüber dem Konsum legaler und illegalisierter Substanzen. Der zeitliche Trend zeigt, dass von Opiaten abhängige Personen durch die Opioidsubstitutionstherapie ein höheres Alter erreichen als noch vor wenigen Jahrzehnten.

Suchtprävention

Die Suchtprävention hat in der Steiermark einen hohen Stellenwert. Dieser zeigt sich unter anderem darin, dass vom Gesundheitsressort des Landes Steiermark und dem Gesundheitsfonds Steiermark mit VIVID eine eigene Fachstelle zur Vorbeugung von Suchtverhalten beauftragt ist.

  • Im Bereich Alkohol- und Tabakprävention werden breit angelegte Strategien bzw. Aktionspläne umgesetzt, ebenso im Bereich der Die Strategien und Aktionspläne sind intersektoral und determinantenorientiert angesetzt. Dadurch arbeiten und wirken sie nicht nur auf der individuellen Verhaltensebene.
  • Angeregt wird für künftige Schwerpunktsetzungen in der Suchtprävention, noch intensiver auf vulnerable Zielgruppen und Settings zuzugehen, die im Sinne der gesundheitlichen Chancengerechtigkeit anzusprechen wären. In diesem Zusammenhang wird angeregt, verstärkt mit Multiplikator*innen zu arbeiten und einen stärkeren Fokus auf selektive und indizierte Präventionsangebote zu legen.

Suchthilfeeinrichtungen in der Steiermark

Die Steiermark verfügt über ein flächendeckendes Angebot im Bereich der Suchthilfe. Menschen mit Suchterkrankungen oder suchtspezifischen Problemen suchen im Wesentlichen eine entsprechende ambulante Einrichtung in ihrer Wohnregionen auf. Betrachtet man die unterschiedlichen Angebote nach Suchtart, so ist auch hier über die Regionen hinweg ein weitestgehend gleichwertiges Angebot zu erkennen.

  • Nach Hauptbetreuungsschwerpunkten nehmen Menschen mit Alkoholsucht den größten Anteil in den ambulanten Suchthilfeeinrichtungen ein, gefolgt von illegalisierten Drogen, Menschen in Substitutionsbehandlung und an vierter Stelle Menschen mit pathologischer Glücksspielsucht.
  • Angeregt wird in den kommenden Jahren, verstärkt ein Augenmerk auf die integrierte Versorgung und die Integration in die Regelversorgung zu legen, da die Bedürfnisse und Bedarfe von Menschen mit Suchterkrankungen komplex sind und daher Versorgungsprozesse zwischen Suchthilfe, Gesundheitswesen und psychosozialer Versorgung noch weiterentwickelt werden sollten.
  • Mehr über die Arbeit in der Suchtkoordination …