Patient*innensicherheit – auch eine Frage der Kultur

Im Fokus der IPS-Jahrestagung 2023 stand die praktische Umsetzung der Patient*innensicherheit und damit verbundene Kulturveränderungen. Auch die Rolle des „Faktors Mensch“, Lean Management und Virtual Reality in der Pflege waren Themen der Vorträge.

Eröffnet wurde die Veranstaltung der Initiative für Patient*innensicherheit am 18. Oktober 2023 im Congress Graz von Bernd Leinich, Geschäftsführer des Gesundheitsfonds Steiermark und Josef Harb, Landesstellenausschuss-Vorsitzender der Österreichischen Gesundheitskasse Steiermark.

„Förderliche Fehlerkultur“

Klaus Affholderbach, promovierte Hochenergie-Physiker und Privatpilot, zeigte sich in seiner Keynote überzeugt, dass der „Faktor Mensch“ der Gamechanger der Zukunft ist. Er hat 20 Jahre Führungserfahrung in der Schweizer Flugsicherung und erläuterte, wie es die Luftfahrt in zwei Jahrzehnten geschafft hat, zur sichersten Transportart zu werden. Dies könne ein Vorbild für andere Branchen, etwa das Gesundheitswesen sein. Eine positive Unternehmenskultur – insbesondere einer förderlichen Fehlerkultur – hat dabei eine besondere Bedeutung. Außer Frage steht lt. Affholderbach aber auch, dass es beim Einführen neuer Kulturen Rückschläge zu überwinden gilt. Wichtig sei dabei, ein Prinzip einer „förderlichen Fehlerkultur“ zu leben.

© Gesundheitsfonds/Hutter

Neu: Spezifische Liste mit Never Events

Birgit Ettl gab Einblick in die Netzwerkarbeit der Österreichischen Plattform für Patientensicherheit. Um die Sicherheit der Patient*innen zu erhöhen, sei es wichtig, das Bewusstsein für bestimmte schwerwiegende vVorfälle die vermeidbar wären, sogenannte „Never Events“, zu schärfen. Die Stiftung Patientensicherheit Schweiz definiert Never Events als „klar identifizierbare schwerwiegende Ereignisse im Zusammenhang mit der klinischen Behandlung, die zu Patientenschädigungen geführt haben und durch Systemdesign und/oder gezielte Präventionsmaßnahmen vermeidbar sind.“ Wegen der guten Zusammenarbeit mit der Stiftung Patientensicherheit können diese Never Events im Rahmen eines gemeinsamen Projektes mit Expert*innen des Gesundheitsministeriums und der Gesundheit Österreich bearbeitet und 2024 ausgerollt werden. Diese spezifische Liste erleichtert es den Gesundheitseinrichtungen, Never Events richtig zu dokumentieren, was wiederum das Analysieren der Fehler und das Ableiten von
treffsicheren Präventionsmaßnahmen vereinfacht.

Critital Incident Reporting System

Dem Critital Incident Reporting System im LKH Hochsteiermark widmete sich Reinhard Falkner, Leiter der Stabstelle QM/PzM/RM des LKH Hochsteiermarks. Er erläuterte dabei die Rolle der Mitarbeiter*innen und die Vereinheitlichung von Abläufen. Für die Zukunft sei da vermehrte Nutzen von Synergien ein wichtiges Thema, ebenso das Optimieren des Personalaufwands.

Lean Management im Krankenhausalltag

Konkrete Lean-Methoden, die im LKH Rottenmann eingesetzt werden, stellten Katrin Stocker-Eweiner und ihre Kolleg*innen bei der IPS-Jahrestagung vor. Das LKH Rottenmann ist das erste periphere Landeskrankenhaus der KAGes, an dem eine Lean-Bettenstation erfolgreich umgesetzt wurde. Dazu wurden von den Mitarbeiter*innen 35 gezielte Prozesse erarbeitet, die in einem 60-seitigen Standard-Handbuch beschrieben und auch im Alltag gelebt werden. Das Besondere bei Lean Management sei, dass die Ideen aus dem Team kommen. Die Mitarbeiter*innen identifizieren die Probleme selbstständig, es gibt monatliche Evaluierungen und die Prozesse werden auch laufend weiterentwickelt. Umgesetzt wurden zum Beispiel die 4P/7P-Runden für die Patient*innenkommunikation. Dabei handelt es sich um vier bzw. sieben Punkte, die fixer Bestandteil des Gesprächs mit Patient*innen sind. Einer davon ist die „Präsenz“, d.h. die*der Patient*in erfährt standardmäßig, wann der nächste Kontakt stattfindet. Dies führt dazu, dass die Klingel-Rufe auf der Station deutlich zurückgingen. Ein weiteres Beispiel ist Kaizen („Veränderung zum Besseren“). Die Mitarbeiter*innen können konkrete Probleme über ein eigenes Formular melden, allerdings gleich mit einem Lösungsvorschlag. Dieser wird dann im Team besprochen, zuerst getestet, ev. noch adaptiert und dann umgesetzt. Auch hier entscheidet das Team selbst über die Lösungswege.

Rasche und sichere Dosisfindung

Gerhard Köstl vom LKH Hochsteiermark illustrierte eindrucksvoll, welche mathematischen Kenntnisse in der Vorbereitung der richtigen Dosis in der Behandlung von Kindern notwendig sind. Er ging auf die Dosierungstabellen für Medikamente (für Infusions- und Spritzpumpen) in der pädiatrischen Intensivmedizin ein. Diese ermöglicht eine rasche und sichere Dosisfindung für die Ärztin bzw. den Arzt und einheitliche Zubereitungsrezepturen für das Pflegepersonal. Komplexität und die damit verbundene Fehleranfälligkeit können so auf ein Mindestmaß reduziert werden.

Virtual Reality in der Pflege

„Präventive Maßnahmen zur Patient*innen- und Mitarbeiter*innensicheheit aus der Pflege“ war der Titel eines von drei Beiträgen von Sabine Herg und Viktoria Theisl vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Graz. Vorgestellt wurde ein Beispiel, wie VR in der Pflege eingesetzt werden kann. Ebenso das Projekt „Die Lerninsel“ und Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation durch Digitalisierung am Beispiel der Spracherkennung. In der Pilotphase der Spracherkennung wurde durch dessen Nutzung eine massive Zeitersparnis für die Pflegepersonen sichtbar. Zeit die, wie Pflegedirektorin Herg erklärt, den Patient*innen zugutekommt.

Verleihung der IPS-Auszeichnungen

Drei IPS-Mitglieder erhalten die IPS-Auszeichnung zum vierten Mal:

  • Geriatrische Gesundheitszentren der Stadt Graz
  • LKH Feldbach – Fürstenfeld
  • LKH Rottenmann – Bad Aussee
  • AUVA Unfallkrankenhaus Steiermark

Zwei IPS Mitglieder erhalten die IPS-Auszeichnung bereits zum dritten Mal:

  • AMEOS Klinikum Bad Aussee
  • Klinik Diakonissen Schladming

Ein IPS Mitglied erhält die IPS-Auszeichnung bereits zum zweiten Mal:

  • AUVA Rehabilitationsklinik Tobelbad

Medizinkabarett von Peter & Tekal

Den Abschluss der IPS-Jahrestagung bildete ein Medizinkabarett namens „Wechselwirkung“ von Peter & Tekal. Der Arzt Ronny Tekal, der als studierter Mediziner natürlich auch Universalgelehrter ist, sowie sein Patient Norbert Peter, der vor der Darmspiegelung hoffentlich als Universalgeleerter zur Untersuchung kommt, brachten Licht in die dunkelsten Interaktionen. Die preisgekrönten Meister medizinisch gepflegter Unterhaltung zeigten im neuen Programm in gewohnter Weise, dass nicht nur eine Krankheit, sondern auch Lachen ansteckend sein kann. Weil alles mit allem ja dann doch irgendwie zusammenhängt.