Wie lernen Kinder einen gesunden Umgang mit dem Internet?
Diese Frage stand bei der Online-Tagung „Suchtverhalten im Internet“ am 21. November 2024 im Fokus. Die Veranstaltung war Teil des „Aktionsplans zum Umgang mit Suchtverhalten im Internet“, den der Gesundheitsfonds Steiermark koordiniert.
Veranstaltet wurde die Online-Tagung von VIVID – Fachstelle für Suchtprävention. Präventions-Expertin Isabella Kranacher von VIVID stellte fünf Ansätze vor, mit denen Eltern ihre Kinder bei einem gesunden Umgang mit Smartphone, Internet und Co. unterstützen können.
1. Vorbild sein
Kinder orientieren sich mit ihrem Verhalten sehr stark an den Eltern. Kranacher empfiehlt Erwachsenen daher, „den eigenen Umgang mit dem Handy und dem Internet zu reflektieren und bewusst zu gestalten“.
2. Interesse zeigen
Wichtig ist für Eltern auch, mit den Kindern und Jugendlichen wertschätzend über das Thema zu sprechen. „Und das nicht erst dann, wenn es Probleme gibt“, betont Kranacher. „Das Internet ist Teil der Lebenswelt von Kindern und sollte nicht per se schlechtgeredet werden.“ Sie empfiehlt Eltern, das Thema ganz offen anzusprechen und dabei auf das Aufregende, die Beweggründe und die konkreten Erlebnisse einzugehen.
So bitte nicht. Alleine sollten Kleinkinder nicht das Internet nutzen. Und im Schlafzimmer ist es generell besser, auf digitale Geräte zu verzichten.
Credit: Andrea Piacquadio/Pexels
3. Klaren Rahmen vorgeben
Klar ist auch: Es muss Grenzen geben. Hier sind Alter und Entwicklungsstand entscheidend. Und ganz generell: Das Internet nicht zur Belohnung oder Strafe einsetzen und zwischendurch bildschirmfreie Tage umsetzen. „Kinder unter drei Jahren sollten generell noch ‚bildschirmfrei‘ leben. Zwischen drei und sechs Jahren werden maximal 30 Minuten empfohlen – in Begleitung von Erwachsenen und nicht täglich. Im Volksschulalter 45 Minuten und dann schrittweise auf 60 Minuten und vor allem: Kindern den eigenverantwortlichen Umgang lernen.“ Das kann, ähnlich wie mit dem Taschengeld, ein „Wochenkontingent“ an Bildschirmzeit sein, über das das Kind frei verfügen kann. Ein eigenes Handy empfiehlt die Expertin nicht unter 10 Jahren, noch besser erst ab 12 Jahren. „Ein Handy, mit dem das Kind nur telefonieren kann und vielleicht ein paar ausgewählte Funktionen nutzen, ist natürlich etwas Anderes als ein Smartphone mit freiem Zugang auf alle möglichen Apps. Das empfehlen wir für Kinder noch gar nicht, sie sollten immer begleitet und die Apps auch gezielt ausgewählt werden.“
Wichtig sind auch Regeln wie: Kein Handy in den Schlafzimmern, am Esstisch und vor dem Frühstück – die dann aber auch für die ganze Familie gelten.
4. Gemeinsam Alternativen entdecken
Onlinegames und Co. locken mit Spaß und Abenteuer – und danach suchen Kinder, was grundsätzlich ja natürlich ist. „Umso wichtiger ist es, den Kindern zu zeigen, wie man Spaß und Abenteuer in der Offline-Welt finden kann. Gemeinsam etwas Neues ausprobieren, unterschiedliche Interessen berücksichtigen, auch als Eltern mal über den eigenen Schatten springen“, nennt Kranacher als Beispiele. Und nicht nur Abenteuer, auch Entspannung ist dabei ganz wichtig. „Auch das brauchen Kinder und wenn sie lernen, wie das offline funktioniert, sind die Online-Angebote weniger verlockend.“
5. Problematischen Konsum erkennen und Hilfe suchen
Wenn Eltern merken, dass Kinder ihren Internetkonsum verstecken wollen oder andere Lebensbereiche vernachlässigen, kann es problematisch werden. Kranacher empfiehlt in so einem Fall, sich Unterstützung zu suchen. VIVID hat den Fokus primär auf Prävention, aber auch darüber hinaus gibt es in der Steiermark viele Anlaufstellen. Sascha Lang vom Dachverband der ambulanten Suchthilfeeinrichtungen Steiermark gab bei der Onlinetagung einen kurzen Überblick über die unterschiedlichen Systeme:
- Niedergelassene Therapeut*innen und Psycholog*innen (Suche über Portale wie bestnet.com oder www.stlp.at
- Suchtberatungsstellen und ambulante psychosoziale Einrichtungen (siehe https://gesundheitsfonds-steiermark.at/suchthilfe/suchthilfeeinrichtungen/)
- Stationäre Möglichkeiten: u.a. gibt es am Anton Proksch Institut in Wien und am LKH Graz II, Standort Süd spezielle Angebote
Lang betont aber auch: „Nicht alle Eltern, deren Kinder subjektiv empfunden ‚viel Zeit online‘ verbringen, müssen sich gleich Sorgen machen. Nicht die Zeit ist entscheidend, die Inhalte und die Art des Medienkonsums sind es. Pathologisch kann die Nutzung dann werden, wenn längerer Kontrollverlust darüber eintritt und deshalb negative Auswirkungen in mehreren Lebensbereichen von Nutzerinnen und Nutzern dazukommen“, nennt Lang Beispiele. „Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis von „normaler“ und problematischer Nutzung bzw. pathologischem Gebrauch, damit man die richtige Unterstützung anbieten kann.“
Mit dem „Aktionsplan zum Umgang mit Suchtverhalten im Internet“ setzt der Gesundheitsfonds mit seinen Projektpartnern gezielte Maßnahmen dazu. Auch wird derzeit an einer detaillierten Angebotsübersicht speziell zum Thema „Suchthafte Internetnutzung“ gearbeitet.