Zwei Jahre nach dem Start: Drug-Checking reduziert Drogenmissbrauch und -Kriminalität
Seit zwei Jahren gibt es in der Steiermark mit „Triptalks“ ein kostenloses und niederschwelliges Angebot für Substanz-Analysen. Es zeigt sich: Das Projekt ist ein voller Erfolg. Es konnten wertvolle wissenschaftliche Daten gewonnen und Personen, die psychoaktive Substanzen konsumieren, für die gefährlichen Inhaltsstoffe sensibilisiert werden, bestätigt der pharmazeutische Chemiker Martin Schmid, der erläutert, dass damit Drogenmissbrauch und Kriminalität reduziert werden.
Drug-Checking bedeutet, dass Drogen wissenschaftlich analysiert werden, um ihre Zusammensetzung zu überprüfen. Seit August 2022 ist Drug-Checking in Graz möglich – anonym und kostenlos. Es handelt sich bei „Triptalks“ um ein Gemeinschaftsprojekt von Gesundheitsfonds Steiermark sowie Stadt Graz und Caritas Steiermark. Seit August 2022 wurden 1.640 Substanztestungen durchgeführt. Zum zweiten Geburtstag des Projekts gibt es ein positives Resümee, denn die Substanzanalysen haben nicht nur viele Menschen vom Konsum gefährlicher Drogen abgehalten, sondern sie ermöglichen auch eine Reduktion der Drogenkriminalität.
Drug-Checking wird weitergeführt
„Wir wollen den Drogenkonsum in der Steiermark reduzieren, denn er schadet nicht nur jedem Einzelnen, sondern unserer gesamten Gesellschaft. Mit dem Drug-Checking können wir sowohl den Drogenkonsum als auch die damit einhergehende Kriminalität reduzieren, daher werden wir dieses Projekt weiterführen“, erläutert Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl.
„Illegale Drogen beinhalten oft besonders gefährliche Substanzen. Mit Triptalks und dem Drug Checking gibt es ganz wichtige Angebote des Caritas Kontaktladens, um Menschen davor zu schützen. Zugleich ist Drug Checking ein wichtiges Monitoring-Instrument. Die anonymen und kostenlosen Leistungen haben sich sehr gut etabliert und wir unterstützen die Projekte daher sehr gerne weiterhin“, führt Gesundheitsstadtrat Robert Krotzer aus.
Durch Drug-Checking können wertvolle wissenschaftliche Daten gewonnen werden. Darüber hinaus ist es möglich, Personen, die psychoaktive Substanzen konsumieren, für die gefährlichen Inhaltsstoffe zu sensibilisieren.
Credit: Kaboompics/Pexels
Drug-Checking hilft dabei, Drogennotfälle zu vermeiden
Harald Ploder vom Caritas Kontaktladen: „Wir klären sachlich über Wirkweisen und potentielle Gefahren beim Substanzgebrauch auf, ohne den Konsum illegalisierter Substanzen zu verurteilen oder ihn zu verharmlosen. Drug Checking muss als zentrales Harm Reduction- und Gesundheitsförderungsinstrument verstanden werden, das wesentlich zur Reduktion von Drogennotfällen und Überdosierungen beitragen kann.“
Michael Koren, Geschäftsführer des Gesundheitsfonds Steiermark und Juliane Cichy, Landes-Suchtkoordinatorin: „Die Erfahrungen der ersten beiden Jahre zeigen, dass über das Drug-Checking wichtige Daten für die Weiterentwicklung der Suchtversorgung gewonnen werden können. Auch hilft Drug-Checking, Konsumierende für gefährliche Inhaltsstoffe zu sensibilisieren. Für die Zukunft planen wir, das Angebot an weiteren Standorten zu etablieren.“
Positives Resümee nach zwei Jahren
Martin Schmid beschäftigt sich als Gerichtssachverständiger bereits seit 14 Jahren mit psychoaktiven Substanzen. Über die ersten beiden Jahre Substanzanalysen in Graz zieht er ein sehr positives Resümee. „Ich war zu Beginn selbst skeptisch, weil die Substanztestungen natürlich nicht dazu beitragen sollen, dass der Konsum erleichtert wird. Inzwischen ist aber offensichtlich, dass das nicht so ist. Es gab sehr viele Fälle von ‚harm reduction‘, also dass ich durch meine Analysen in den Substanzen Inhaltsstoffe gefunden habe, die den Konsumierenden nicht bewusst waren – etwa Falschdeklarationen, Verunreinigungen oder höhere Dosierungen als erwartet. Durch die Analyse haben die Konsumierenden dann gesagt: „Das wollte ich nicht kaufen, das werfe ich weg.“
Wissenschaftliche Daten gewinnen durch Drug-Checking
Ein weiterer Aspekt sind die umfangreichen wissenschaftlichen Daten, die durch die mehr als 1.500 Untersuchungen gewonnen werden konnten. „Die Konsumierenden füllen Fragebögen zu ihrem Konsumverhalten aus. Dadurch kommt man zu Daten von unschätzbarem Wert, auf die man sonst in dieser Qualität und Quantität keinen Zugriff hätte“, betont Schmid. Im Fragebogen wird beispielsweise abgefragt, wo die Suchtmittel gekauft wurden oder wie es um den Gesundheitszustand der Konsumierenden steht. Auch im niederschwelligen Zugang über den Kontaktladen, der unter den Konsumierenden bekannt ist, sieht Schmid einen Vorteil.
Drogenkriminalität reduzieren
Welch wertvolle Erkenntnisse sich aus Analysen ziehen lassen, zeigt auch die Erfahrung Schmids als Gutachter. „Ich führe seit Langem Gutachten für Staatsanwaltschaft und Polizei durch. Dabei habe ich mehr und mehr erkannt, dass durch die Analysen auch wertvolle wissenschaftliche Daten gewonnen werden können. Diese sind wiederum eine essentielle Basis, um neue Suchtmittel frühzeitig zu erkennen und letzten Endes auch Missbrauch und Drogenkriminalität zu reduzieren.“ Bis Ende 2023 wurden weltweit mehr als 1.200 neuer psychoaktiver Substanzen den Behörden gemeldet.
Badesalze mit amphetaminähnlichen Substanzen
Der Experte hat seit 2012 dazu bereits mehr als 40 englischsprachige wissenschaftliche Abhandlungen in international anerkannten Journalen publiziert, beispielsweise über sogenannte „Badesalze“, die amphetaminähnliche Substanzen enthielten. Schmid erläutert: „Das Suchtmittelgesetz legt genau fest, welche Substanzen verboten sind, d.h. diese sind taxativ im Gesetz angeführt. Sobald ein Molekül verändert wird, handelt es sich quasi um eine andere Substanz, die dann eigentlich nicht mehr verboten ist. Durch meine Analysen habe ich das beispielsweise bei diesen „Badesalzen“ beobachtet und konnte durch rasche Methodenentwicklung dazu beitragen, dass diese möglichst früh erkannt werden konnten.“ In zwei Fällen waren wir jüngst in Österreich die Ersten, die eine völlig neue Substanz in die europäische Datenbank einmelden konnten.
Ablauf einer Substanzanalyse
- Konsumierende geben ihre Proben im Caritas Kontaktladen anonym ab.
- Die Probenanalyse erfolgt von Martin Schmid und seinem Team am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Graz.
- Die Konsumierenden erhalten nach der Analyse anonym das Ergebnis (wieder über den Caritas-Kontaktladen).
- Im Zuge dessen gibt es u. a. Beratungsgespräche und Klient*innen füllen einen Fragebogen zu ihrem Konsumverhalten aus.
- Die Streetworker nutzen den niederschwelligen Kontakt, um eine Beziehung mit den Konsumierenden aufzubauen und sie für die Folgeschäden des Drogenkonsums zu sensibilisieren.
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